Das Ziegenproblem. Denken in Wahrscheinlichkeiten. ( science). by Gero von Randow

Das Ziegenproblem. Denken in Wahrscheinlichkeiten. ( science). by Gero von Randow

Autor:Gero von Randow [Randow, Gero von]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-04T04:00:00+00:00


Die Zufallswanderung

Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Urformel

Denken wir über die Tatsache nach, dass der Ausdruck «NA/N» ein Bruch ist, eine Verhältniszahl. Warum das wichtig ist, zeigt ein weiteres Spiel mit der Münze; es folgt jetzt der Regel, dass der Spieler bei «Kopf» einen Euro einheimst und bei «Zahl» einen Euro abgibt. Wird er nach vielen, sagen wir hunderttausend Würfen reicher oder ärmer sein – oder so vermögend wie zuvor?

Erstaunlicherweise wird er unter dem Strich erheblich gewonnen oder verloren haben.

Die Urformel p(A) = NA/N hilft uns, die relative Häufigkeit von «Kopf» und «Zahl» zu raten. Und je öfter die Münze fällt, desto genauer dürfte die Schätzung zutreffen. Beim Kassensturz kommt es jedoch auf die Differenz von «Kopf»- und «Zahl»-Würfen an – und bei sehr vielen Würfen kann sich hinter einem «Beinahe-1 : 1-Verhältnis» eine erhebliche Differenz verstecken.

FALL 1: 55-mal «Kopf» und 45-mal «Zahl». Das Verhältnis der «Kopf»-Würfe zur Gesamtzahl der Würfe ist 55/100 = 0,55, liegt also nur 0,05 über 1/2. Die Differenz von «Kopf» und «Zahl» beträgt 10. Nun wird weiter geworfen. Angenommen, eine spätere Auswertung ergäbe:

FALL 2: 108-mal «Kopf» und 92-mal «Zahl». Das Verhältnis der «Kopf»-Würfe zur Gesamtzahl der Würfe ist weiter gesunken: 108/200 = 0,54 liegt nur noch 0,04 über 1/2. Gestiegen ist indes die Differenz von «Kopf» und «Zahl»: auf 16.

Wer im Roulette stets Halbe-halbe-Chancen spielt, also auf Rot oder Schwarz, Gerade oder Ungerade, Manque oder Passe setzt, sollte aus dem gleichen Grund nicht damit rechnen, das Casino «Plus-Minus-Null» zu verlassen (ein weiterer Grund kommt hinzu: Fällt der Ball in die «Null», hat die Bank den Vorteil).

Verhältnis und Differenz sind zwei verschiedene Dinge. Das drücken Mathematiker gern mit dem Bild der «Zufallswanderung» aus. Ein etwas seltsamer Wanderer, der sich von einem Mathematiker eine Münze ausgeliehen hat, geht bei «Kopf» einen Schritt vor und bei «Zahl» einen Schritt zurück. Er wird sich wahrscheinlich mehr und mehr von seinem Ausgangspunkt entfernen – genauso wie es die zufällig herumschwirrenden Moleküle eines Gases tun.

Selbst in einem Raum, in dem kein Lüftchen weht, würden mehr und mehr Moleküle eines Parfüms oder giftigen Gases aus ihrer offenen Flasche kriechen und umherwandern. Niemand kann den Weg jedes einzelnen Moleküls verfolgen. Deshalb sind Gesetze nützlich, wonach sich die Wahrscheinlichkeit ablesen lässt, mit der sich Gasmoleküle an einem bestimmten Ort befinden. Diese Wahrscheinlichkeit kann dann auch als Dichte des Gases interpretiert werden.

Im Jahre 1905 stellte der englische Statistiker Karl Pearson (1857 bis 1936) das Konzept der Zufallswanderung, des «random walk», erstmals vor. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, dass auch Rohstoffpreise, Klimadaten und Selbstmordraten innerhalb bestimmter Bandbreiten einem Zufallsweg folgen. Der «random walk» erwies sich als passables Modell für chemische Vorgänge ebenso wie für den Weg, den Mikroorganismen auf glatten Oberflächen zurücklegen. Natürlich können die Regeln des «random walk» abgewandelt werden, um das Zufallsverhalten eines natürlichen Systems zu beschreiben. Der Wanderer kann eine zweite Münze einwerfen, um seine Geschwindigkeit zu bestimmen, er kann auch nach rechts und links, theoretisch sogar nach oben und unten wandern.



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